Artikel|Empathie & Selbstmanagement
Wie Mitgefühl deine zwischen-menschlichen Beziehungen fördert
Stell dir vor, du bist in einem Meeting mit deinem Team und plötzlich kommt es zu einem hitzigen Streit zwischen zwei Kollegen. Die Stimmung im Raum kippt, und du merkst, dass die Diskussion bald außer Kontrolle geraten könnte. Du erkennst die Emotionen deiner Kollegen, verstehst die zugrunde liegenden Gründe für ihre Reaktionen und entscheidest dich, einzugreifen, um die Situation zu deeskalieren. Mit Ruhe und Empathie lenkst du das Gespräch in konstruktivere Bahnen. Genau in solchen Momenten zeigt sich die Stärke der emotionalen Intelligenz.
Selbstbewusstsein und Selbstreflexion
Emotionale Intelligenz beginnt mit dem Selbstbewusstsein. Es bedeutet, sich seiner eigenen Gefühle, Stärken und Schwächen bewusst zu sein. Durch Selbstreflexion kannst du deine Emotionen besser verstehen und darauf reagieren.
Im Coaching nehme ich häufig wahr, dass es Menschen gar nicht so leicht fällt, ihre Gefühle zu beschreiben. Kannst du dein Gefühl in ein Wort packen? Gar nicht so einfach, oder? Du kannst dem Gefühl leichter auf die Spur kommen, wenn du in deinen Körper hineinspürst und dich fragst, wo du das Gefühl spürst. z.B. im Brustbereich oder in den Schultern? Oder eher im Bauch?
Beispiel 1 | Dein Vorgesetzter gibt dir die Rückmeldung, dass deine Präsentationen zwar informativ, aber manchmal etwas langatmig sind. Dein Chef sagt: „Deine Präsentation war sehr informativ, aber ich denke, sie könnte etwas kürzer und prägnanter sein.“ Du fühlst, wie dein Herzschlag schneller wird und der erste Impuls ist, dich zu rechtfertigen. Mit einem hohen Maß an Selbstbewusstsein erkennst du hingegen, dass das Feedback eine Möglichkeit zur Verbesserung bietet. Du nimmst dir einen Moment, atmest tief durch und antwortest: „Danke für das Feedback. Ich werde daran arbeiten, meine Präsentationen kompakter zu gestalten.“ Du analysierst die Rückmeldung sachlich, erkennst mögliche Verbesserungsbereiche und planst, deine Präsentationstechnik zu überarbeiten, vielleicht indem du an einem Rhetorikkurs teilnimmst oder Kollegen um Feedback bittest.
Beispiel 2 | Du bemerkst, dass du oft gestresst und gereizt auf die Arbeit reagierst. Jeden Morgen wachst du mit einem Knoten im Magen auf, und schon die kleinsten Dinge bringen dich aus der Fassung. Ohne Selbstreflexion könntest du die Schuld auf äußere Umstände schieben, wie den Verkehr oder die vielen Meetings. In der Selbstreflexion erkennst du jedoch, dass dein Stressmanagement verbesserungswürdig ist. Du beginnst, regelmäßig Pausen einzulegen, machst kurze Spaziergänge in der Mittagspause und praktizierst Achtsamkeitsübungen. Diese neuen Routinen helfen dir, deine emotionale Stabilität zu verbessern und gelassener durch den Arbeitstag zu kommen.
Selbstregulation
Ein weiterer entscheidender Aspekt der emotionalen Intelligenz ist die Fähigkeit zur Selbstregulation. Das bedeutet, in der Lage zu sein, Emotionen zu kontrollieren und angemessen mit ihnen umzugehen, besonders in stressigen oder herausfordernden Situationen.
Beispiel 1 | Denke an eine stressige Verhandlungssituation. Du sitzt in einem Konferenzraum, das Licht ist grell, und die Luft ist stickig. Dein Verhandlungspartner stellt unerwartet harte Forderungen oder unangenehme Nachfragen. Dein erster Impuls könnte Ärger und Frustration sein. Du spürst, wie deine Hände schwitzen und dein Puls schneller wird. Du könntest laut werden oder impulsiv reagieren. Mit gut entwickelter Selbstregulation atmest du tief durch, bleibst ruhig und überlegst strategisch, wie du am besten reagieren solltest. Du nutzt vielleicht Techniken wie aktives Zuhören oder stellst gezielte Fragen, um die Forderungen besser zu verstehen und nach Lösungen zu suchen, die für beide Seiten vorteilhaft sind.
Beispiel 2 | Du bist auf dem Weg zur Arbeit und gerätst in einen Stau. Die Autos bewegen sich nur im Schritttempo und du merkst, wie deine Anspannung wächst. Du schimpfst vielleicht laut vor dich hin und bist kurz davor, wild zu hupen. Du ärgerst dich und kommst gestresst im Büro an. Mit guter Selbstregulation atmest du tief durch, hörst beruhigende Musik oder ein interessantes Hörbuch und nutzt die Zeit, um deine Gedanken zu ordnen. Du erinnerst dich daran, dass du den Verkehr nicht kontrollieren kannst, aber deine Reaktion darauf schon. So kommst du entspannter und fokussierter an deinem Ziel an.
Empathie und zwischenmenschliche Beziehungen
Empathie ist ein Schlüssel zur Verbesserung der zwischenmenschlichen Beziehungen. Durch die Fähigkeit, sich in die Gefühle anderer hineinzuversetzen und diese zu verstehen, kannst du Beziehungen vertiefen und Konflikte besser lösen.
Beispiel 1 | Stell dir vor, ein Freund teilt dir eine persönliche Herausforderung mit. Ihr sitzt zusammen in einem Café, er schaut dich ernst an und sagt: „Ich habe große Probleme zu Hause, und ich weiß nicht weiter.“ Ohne Empathie könntest du seine Gefühle übersehen oder unterschätzen, vielleicht sogar sagen: „Das wird schon wieder.“ Mit Empathie erkennst du die Tiefe seiner Emotionen. Du legst eine Hand auf seine Schulter, schaust ihm in die Augen und sagst: „Es tut mir leid, dass du das durchmachst. Möchtest du darüber sprechen?“ Du hörst ihm aufmerksam zu und bietest ihm die Unterstützung, die er wirklich braucht. Das fühlt sich tatsächlich für dich auch richtig gut an.
Beispiel 2 | Ein Kollege wirkt in letzter Zeit abgelenkt und weniger produktiv. Er sitzt mit leerem Blick vor dem Computer und du hörst ihn gelegentlich tief seufzen. Ohne Empathie könntest du ihn einfach als faul abstempeln. Mit Empathie sprichst du ihn an, fragst nach seinen Problemen und bietest deine Hilfe an. Er teilt dir mit, dass er familiäre Probleme hat, die ihn sehr belasten. Gemeinsam findet ihr Wege, seine Arbeitslast vorübergehend anzupassen und Unterstützung anzubieten, vielleicht indem ihr Aufgaben umverteilt oder ihm flexible Arbeitszeiten ermöglicht. Dies stärkt nicht nur eure Beziehung, sondern fördert auch ein unterstützendes und positives Arbeitsklima.
Soziale Fähigkeiten
Neben Empathie spielen auch soziale Fähigkeiten eine wichtige Rolle. Das umfasst die Fähigkeit zur effektiven Kommunikation, zur Konfliktlösung und zum Aufbau von Netzwerken.
Beispiel 1 | Denke an ein Teamprojekt, bei dem es zu Meinungsverschiedenheiten kommt. Ihr seid mitten in der Diskussion, und die Stimmen werden lauter. Ohne starke soziale Fähigkeiten könnten Konflikte eskalieren und die Teamarbeit beeinträchtigen. Mit ausgeprägten sozialen Fähigkeiten kannst du Konflikte schlichten, die Kommunikation verbessern und ein kooperatives Arbeitsumfeld schaffen. Du setzt dich zwischen die streitenden Kollegen, fasst die Hauptpunkte zusammen und bietest Lösungen an, die beide Seiten berücksichtigen. „Ich verstehe, dass ihr unterschiedliche Ansätze habt. Lasst uns schauen, wie wir beide Perspektiven integrieren können, um das Beste aus diesem Projekt herauszuholen.“
Beispiel 2 | Bei einem Networking-Event hast du die Möglichkeit, wichtige Kontakte zu knüpfen. Du betrittst den Raum und fühlst dich anfangs etwas nervös. Ohne soziale Fähigkeiten könntest du nervös und zurückhaltend sein, vielleicht sogar beschließen, in der Ecke zu bleiben und auf dein Handy zu schauen. Mit guten sozialen Fähigkeiten trittst du selbstbewusst auf, gehst auf andere zu, stellst dich vor und knüpfst wertvolle Verbindungen. Du beginnst Gespräche mit offenen Fragen wie: „Was hat Sie heute hierhergebracht?“ oder „Welche Projekte beschäftigen Sie derzeit?“ Diese Fragen helfen dir, interessante Gespräche zu führen und nachhaltige Beziehungen aufzubauen, die dir in deiner beruflichen Laufbahn weiterhelfen können.
Anwendung im Alltag: Wie kannst du deine emotionale Intelligenz im Alltag stärken? Beginne damit, deine eigenen Emotionen bewusst zu erleben und zu verstehen. Übe Achtsamkeit, um im Moment präsent zu sein und besser auf die Bedürfnisse anderer einzugehen. Setze Empathie aktiv ein, um deine zwischenmenschlichen Beziehungen zu verbessern und konstruktivere Interaktionen zu fördern.
Beispiel | Du stehst im Supermarkt in einer langen Schlange und merkst, wie du ungeduldig wirst. Die Schlange bewegt sich kaum, und du schaust immer wieder nervös auf die Uhr. Anstatt dich von deiner Ungeduld leiten zu lassen, nutzt du die Zeit, um tief durchzuatmen und dankbar zu sein für die Zeit, die du hast. Du lächelst die Kassiererin an und bedankst dich für ihre Arbeit, selbst wenn du lange warten musstest. „Danke, dass Sie heute arbeiten. Es muss ein anstrengender Tag für Sie sein“. Dies verbessert nicht nur deine eigene Stimmung, sondern auch die Atmosphäre für alle Beteiligten.
Schlussgedanken
Emotionale Intelligenz macht das Leben nicht nur für dein Umfeld angenehmer, sondern auch für dich selbst lebenswerter. Indem du deine Fähigkeiten zur Selbstreflexion, Selbstregulation, Empathie und sozialen Interaktion entwickelst, kannst du nicht nur persönlich wachsen, sondern auch positive Veränderungen in deinem Umfeld bewirken. Egal, ob in beruflichen Herausforderungen, persönlichen Beziehungen oder alltäglichen Interaktionen – emotionale Intelligenz hilft dir, bewusster und erfüllter zu leben.